Titelverterteidigung geglückt – Gegner und Pokal fest im Griff. Boris Becker sichert sich auch 1986 den Titel auf dem heiligen Rasen. Ivan Lendl USA (li.) gratuliert Boris bei der Siegerehrung. Foto: imago images / Sven Simon
Tag: |
06. Juli 1986 |
Ort: |
Centre Court in Wimbledon, London |
Sportart: |
Tennis |
Anlass: |
Finale der 100. All England Championships |
Paarung: |
Boris Becker (GER) – Ivan Lendl (TCH) |
Ergebnis: |
6:4, 6:3, 7:5 |
Die 100. Ausgabe der All England Championships wurde geprägt von den beiden Ausnahmespielern Boris Becker und Ivan Lendl. Zwei Stars, die schon ´86 in den Anfängen ihrer großen Rivalität unterschiedlicher kaum hätten sein können. Lendl, 8 Jahre älter, die Nummer 1 der Welt und frischgebackener Sieger der French Open von Paris gegen Boris Becker, dem 18jährigen Heißsporn aus Deutschland und Nummer 6 der Welt.
Boris Becker, der sich ein Jahr zuvor als jüngster Wimbledonsieger selbst ein Denkmal gesetzt hat, sich durch seine unbekümmerte Art vor allem ins Herz der Zuschauer und Fans gespielt hatte. Und Ivan Lendl, der Perfektionist aus der CSSR. Immer unterkühlt, selten lächelnd. „Lendl ist hart wie ein Fels“, stellte ihn sogleich NBC-Kommentator Bud Collins zu Beginn des Finales vor.
„King“ Boris Court
Big Ben läutet 14 Uhr. Boris Becker und Ivan Lendl betreten den Centre Court, der die Tenniswelt bedeutet. Becker, geht mit dem jugendliche Elan seiner 18 Jahre voran. Ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen verrät: Das ist mein Platz, hier fühle ich mich wohl. Dahinter Lendl. Er wirkt ruhig, konzentriert. Endlich will er seinen Frieden auf dem grünen Rasen finden, Wimbledon endlich für sich einnehmen. Der Tscheche ist an eins gesetzt, Titelverteidiger Becker an Position vier.
Wieder war Boris am Abend vor dem Finale mit seinem Coach Günther Bosch und seinem Manager Ion Tiriac italienisch essen. Und wieder hat er in der Nacht vor dem Finale von der Siegerehrung geträumt. Doch diesmal ist es nicht der Unbekannte Junge, der auf dem berühmtesten Court der Welt die Verbeugung vor der königliche Loge macht.
Er ist zum Allgemeingut geworden in den vergangenen Monaten. 98% der Westdeutschen kennen ihn, nur übertroffen vom Bekanntheitsgrad von Volkswagen Seine spitzbübische Art ist verschwunden, es scheint als wäre bei diesem, seinem zweiten Finale etwas wie Routine eingekehrt.
Bum-Bum macht den Unterschied
Lendl konnte sich strecken wie er wollte, Boris verteidigte „sein“ Wohnzimmer und hollte sich auch 1986 den Titel. Foto: imago images / Colorsport
„Ich war erleichtert und dachte, ich bin vom Jungen zum Erwachsenen geworden“, so Becker in seiner nachträglichen Betrachtung dieses wichtigsten Matches seiner Karriere. Und noch etwas ist anders zu den vergangenen Jahren im traditionsreichen Wimbledon. Aus den weißen Bällen sind gelbe Filzkugeln geworden.
In der Ehrenloge sitzen in froher Erwartung eines guten Endspiels Bundespräsident Richard von Weizäcker neben der englischen Premierministerin Margaret Thatcher. Auch der Herzog und die Herzogin von Kent haben Platz genommen.
Der Aufschlag wird der Schlüssel zum Erfolg, da sind sich die Experten im weiten Rund einig. Und der starke Aufschlag spricht für den jüngsten Titelverteidiger in der Geschichte. Becker musste lediglich 4 Mal sein Service abgeben im gesamten Turnier. Lendl wurde insgesamt sechsmal gebreakt.
Lendl gewinnt die Wahl und entscheidet sich für Rückschlag. Dann endlich geht’s los. Becker eröffnet das Finale um 14.07 Uhr mit seinem 92. Ass des Turniers. Doch die Spannung, unter der Becker steht, wird gleich zu Beginn deutlich. Nur mit Mühe, nach dem Abwehren von 3 Breakbällen bringt er sein Service zum 1:0 durch. Lendl tritt total fokussiert auf, Boris hingegen sucht seine Lockerheit. Er ist nervös, hadert über Unruhe bei seinen Aufschlägen und kassiert prompt das Break zum 2:3. 54% erste Aufschläge bei Lendl zu nur 39% bei Boris in dieser Anfangsphase sprechen für sich.
Endlich, die Becker-Faust
Dann findet „King“ Boris, wie er von den Kommentatoren von NBC genannt wird, seinen Rhythmus für den Return, schafft das direkte Re-Break. Zum ersten Mal die Becker Faust. Da ist er, der Kämpfer voller Leidenschaft. Boris kommt immer besser ins Spiel. Beim 5:4, 15:40 Aufschlag Lendl gibt’s 2 Satzbälle. Boris, der seinen Shuffle tanzt demonstriert, wer Herr Im Haus ist. Nach 40 Minuten steht es 6:4 für den Leimener.
Dieser Satzgewinn gibt Boris seine Wimbledon-Souveränität wieder. Er steigert seine Quote an ersten Aufschlägen und kann so 91% seiner ersten Aufschläge in Punkte ummünzen, bei Lendl sind es „nur“ 71%. Der Tscheche wird zusehends unruhiger. Immer wieder kaut er auf seiner Unterlippe, wirkt angespannt. Beim Stand von 4:3 Becker holt sich der Leimener seine ersten Breakpunkte im 2.Satz. den Zweiten nutzt er. Mit einem lauten „Yeah“ und der Becker-Faust geht er 5:3 in Führung und kann anschließend den Satz mit 6:3 für sich entscheiden. 1Std. 16 Minuten sind gespielt und Boris ist seinem Traum und der Bestätigung seines Vorjahressieges ganz, ganz nah.
Doch Lendl gibt nicht auf, will sich seinen eigenen Traum nicht zerstören lassen. Schnell geht er im dritten Satz mit 3:0 und 4:1 in Führung. Auch der unterkühlte Lendl zeigt seine Emotionen, ballt die Faust. Viele Zuschauer rechnen fest mit einem vierten Satz. Becker wechselt sein Hemd. Symbolisch bläst er damit zur Aufholjagd.
Normal? Nicht mit Boris
„Wenn Boris ein normales Turnier spielt, gewinnt er es“, hat Ion Tiriac im Vorfeld orakelt. Aber was ist bei den Matches von Becker normal? Nichts, deshalb lieben ihn nicht nur die Deutschen Tennis-Fans, besonders die Briten haben den jungen Deutschen so schon 1985 in ihr Herz geschlossen.
Becker beginnt den Psycho-Krieg gegen den Perfektionisten Lendl. Bei seinen Returns wandelt Boris auf der Grundlinie von rechts nach Links, versucht Lendl so aus der Fassung und der Konzentration zu bringen. Tatsächlich gelingt es Becker und er verkürzt mit seinem Break auf 3:4.
Danach bringen beide Spieler ihr Service relativ problemlos durch. Beim Stand von 5:4 für Lendl, Aufschlag Becker, dreht Ivan auf. 0:40, 3 Satzbälle und Becker scheint sein Gefühl für den ersten Aufschlag verloren zu haben. „Ich habe die Angst in den Augen von Lendl gesehen“, wird Becker nachher zitiert. Doch es scheint weniger Lendls Angst zu sein. Vielmehr beweist Becker wie abgezockt er auch in solch brenzligen Situationen spielen kann. Er braucht die Ausweglosigkeit, um sein bestes Tennis zu spielen. Genau das schafft er just in diesem Moment, der vielleicht vorentscheidenden Phase des Endspiels. Mit einem Ass, seinem 15. in diesem Match und einem Service-Winner gleicht Becker zum 5:5 aus.
Lendl scheint eingebrochen, ob seiner verpassten Chancen verliert er sein Aufschlagspiel und liegt nun im 3.Satz mit 5:6 zurück. Scheinbar aussichtslos gegen den Aufschlagkönig Becker. Aber Lendl schlägt zurück, geht 0:30 in Führung und ist somit nur 2 Punkte vom so überlebenswichtigen Re-Break entfernt. Mit souveränem Serve and Volley verkürzt Becker auf 15:30 und es kommt zum Ballwechsels des Turniers.
Der Punktgewinn des Jahres
Becker hämmert seinen Aufschlag nach außen und stürmt ans Netz. Lendls Rückhand Return beantwortet Boris mit einem guten Vorhand Volley tief in die andere Ecke des arg ramponierten Rasenplatzes. Der absolut austrainierte Tscheche sprintet los und wählt für seinen Passierball aus vollem Lauf den geraden Weg. Er peitscht seine Vorhand Longline auf die andere Seite. Boris sieht nur eine Chance und hebt ab.
Aber sein Becker-Hecht geht ins Leere, Lendls Ball bleibt an der Netzkante hängen, während Boris mit voller Wucht den sandigen Untergrund aufwühlt. Auf dem Bauch liegend reagiert der Tennisheld blitzschnell, rafft sich auf, stößt sich mit den Knien ab und hechtet ein zweites Mal Richtung Ball. Unglaublich wie Becker den Ball erreicht, ihn kurz cross über das Netz lupft und Pfeilartig aufspringt und unter enormer Körperspannung seinen Shuffel tanzt. Das Publikum ist völlig aus dem Häuschen, Lendl stemmt die Arme in die Seite und schüttelt einfach nur ungläubig, demoralisiert den Kopf.
Grenzenloser Jubel bei Boris Becker. 1986 landete er „den wichtigsten Sieg“ seiner Karriere. Foto: imago images / Colorsport
Lendl scheint eingebrochen, ob seiner verpassten Chancen verliert er sein Aufschlagspiel und liegt nun im 3.Satz mit 5:6 zurück. Scheinbar aussichtslos gegen den Aufschlagkönig Becker. Aber Lendl schlägt zurück, geht 0:30 in Führung und ist somit nur 2 Punkte vom so überlebenswichtigen Re-Break entfernt. Mit souveränem Serve and Volley verkürzt Becker auf 15:30 und es kommt zum Ballwechsels des Turniers.
Der Punktgewinn des Jahres
Becker hämmert seinen Aufschlag nach außen und stürmt ans Netz. Lendls Rückhand Return beantwortet Boris mit einem guten Vorhand Volley tief in die andere Ecke des arg ramponierten Rasenplatzes. Der absolut austrainierte Tscheche sprintet los und wählt für seinen Passierball aus vollem Lauf den geraden Weg. Er peitscht seine Vorhand Longline auf die andere Seite. Boris sieht nur eine Chance und hebt ab.
Aber sein Becker-Hecht geht ins Leere, Lendls Ball bleibt an der Netzkante hängen, während Boris mit voller Wucht den sandigen Untergrund aufwühlt. Auf dem Bauch liegend reagiert der Tennisheld blitzschnell, rafft sich auf, stößt sich mit den Knien ab und hechtet ein zweites Mal Richtung Ball. Unglaublich wie Becker den Ball erreicht, ihn kurz cross über das Netz lupft und Pfeilartig aufspringt und unter enormer Körperspannung seinen Shuffel tanzt. Das Publikum ist völlig aus dem Häuschen, Lendl stemmt die Arme in die Seite und schüttelt einfach nur ungläubig, demoralisiert den Kopf.
„Der wichtigste Sieg meiner Karriere“
Der anschließende Returnfehler brachte den ersten Matchball zur Verteidigung der großen Liebe. Und auf einmal war es doch wieder so wie ein Jahr zuvor. Es war die gleiche Seite von der Boris zum Titelgewinn aufschlug, wieder war es ein viel zu guter Aufschlag für den Gegner und wieder reckte Boris beide Arme in den Himmel. Er hat es wieder getan, wieder Wimbledon gewonnen und auf einmal war sein Lachen zurück. Das Lachen, das ihn knapp 12 Monate zuvor die Herzen der Tennisfans erobern ließ. „Wimbledon 1 war meine persönliche Mondlandung, der Sieg 1986 war der wichtigste meiner Karriere.“
Und Vater Karl-Heinz und Mutter Elvira durften abermals stolz sein auf ihren Sohn. Das Unmögliche hat er möglich gemacht. Und spätestens jetzt waren alle Fragen beantwortet: Er war keine Eintagsfliege. Er war einer der Besten. Da drückte dann die Herzogin von Kent auch ein Auge zu als Boris, der den Pokal von Wimbledon von Jean Borotra überreicht bekam, sich vor ihr verneigte und den Deckel der Trophäe auf seinen „heiligen“ Rasen fallen ließ. Auch das gabs vorher noch nie. (anhe)
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