Boris mit „seinem“ Pokal. Es war der Beginn einer wunderbaren Liebe. – Foto: imago images / Laci Perenyi

Zahlen und Fakten

Tag: 07. Juli 1985
Ort: Centre Court in Wimbledon, London
Zuschauer: 13.118
Sportart: Tennis
Anlass: Finale der 99. All England Championships
Paarung: Boris Becker (GER) – Kevin Curren (USA)
Ergebnis: 6:3, 6:7, 7:6, 6:4
Ballfarbe: Weiß 😉

Ion Tiriac, Beckers Manager, sitzt fast anteilnahmslos in der Spielerbox auf dem Centre Court. Es ist 17:26 Uhr Londoner Uhrzeit, ein Jubelorkan brandet auf. Sein Gesicht wirkt versteinert, dabei hat doch sein Schützling gerade ein Wunder vollbracht. Boris, der Held von Wimbledon. Tiriac scheint diese Tatsache eher nüchtern, geschäftsmännisch zu begutachten, als er sein Kinn auf die Hand legt.

Boris bekommt davon nichts mit. Er zieht sich seine Trainingsjacke an, wartet und lächelt genau so verschmitzt, wie ein Lausbub dies in seinem Alter halt macht. Sein Gegner Kevin Curren sitzt gedankenverloren auf seinem Stuhl. Wenige Stunden vorher, beim Frühstück mit Trainer Günther Bosch, sagte Boris ihm, dass er von der Herzogin von Kent geträumt und dass diese ihm zum Sieg gratuliert habe. Ein Traum, der nun Wirklichkeit war.

Wie im Traum

Doch während der Herzog und die Herzogin von Kent wie bei jeder Siegerehrung in Wimbledon an den Ballkindern vorbeischreiten, ein paar Worte mit ihnen wechseln, um dann den begehrten Pokal zu überreichen, da befindet sich Boris immer noch wie im Traum. Zu unbegreiflich, was ihm da gerade „passiert“ ist.

Viele Jahre später sagt Boris über diesen Sieg: „Boris aus Leimen ist in Wimbledon 1985 gestorben und in neuer Gestalt wieder auferstanden.“ Auch Paul Zimmer, Sportfotograf und Becker-Freund, kann sich an die Zeit nach 1985 noch sehr gut erinnern: „Sein Leben hat sich von einem auf den anderen Moment völlig verändert. Jeder mochte ihn, jeder wollte aber auch etwas von ihm. Wir haben kurz nach Wimbledon in Hamburg im Kino gesessen und mitten im Hauptfilm geht plötzlich das Licht an mit dem Hinweis, Boris Becker sitzt im Publikum und soll sich doch bitte mal ins Goldene Buch eintragen“. Privatsphäre gab es für Becker fortan keine mehr.

Daran wird er kaum gedacht haben in diesem Moment. Der Herzog nimmt den Pokal hoch, Jubel und Applaus branden auf, und Boris geht mit Stolz geschwellter Brust und einem breiten Lachen auf „seinen“ Pokal zu. Gedanken an das was kommt, haben jetzt keinen Platz. Er will spielen, um zu gewinnen, alles andere ist für den jungen Deutschen egal.

Boris für alle

Der Augenblick des Triumphes - Foto: imago images / Sven Simon

1985 – Beginn einer großen Liebe
07. Juli 1985: Triumph eines jungen Leimeners. Mit 17 Jahren und 227 Tagen ist Boris Becker der jüngste Wimbledonsieger, der erste Deutsche und der erste Ungesetzte, der dieses Traditionsturnier an der Church Road gewinnen kann. Zum Artikel

Die Tragweite ist ihm nicht klar. Auch als die englische Presse im Verlaufe des Turniers immer neuere Spitznamen wie „Blitzkrieg Becker“ erfindet, sagt Boris lapidar: „No, ich bin kein Soldat, ich bin Tennisspieler.“ Nur, das er von diesem Tag an ein Tennisspieler für jedermann sein sollte. Eine ganze Nation, ja sogar die ganze Welt, nahm Teil am Leben des Boris Becker.

„Es war nicht nur die Tatsache, das es „der“ herausragendste Sportmoment der letzten 50 Jahre war. Vor allem auch seine Art, sein Mutterwitz und seine charismatische Ausstrahlung machten ihn so populär. Zudem hat er Deutschland in der ganzen Welt netter und bekannter gemacht“, so Zimmer über die große Bedeutung Beckers. „Es gibt Spieler, die mehr Erfolge haben als Boris, aber die können heute unerkannt über die Straßen laufen“.

Nach einem kurzen Plausch mit der Herzogin und dem Herzog ist es endlich so weit. Boris hat ihn, den Pokal der Begierde. Auf der Tribüne gibts von Vater Karl-Heinz ein Küsschen für Mutter Elvira. Boris reckt den Pokal in die Höhe und lacht. Festgehalten auf der kleinen Kamera der Familie Becker.

Fest im Blick

Als Curren aufgerufen wird, klatscht Boris Beifall, ohne jedoch seinen Pokal loszulassen. Und beim Gang zu den Fotografen und dem Publikum lässt Boris diesen Pokal nicht mehr aus den Augen. Und die Augen der Öffentlichkeit lassen von diesem Augenblick an nicht mehr ab vom 17 jährigen Becker, der nicht einmal seinen Führerschein hat.

„Er hat einfach ein Glanzlicht gesetzt und auch dem Tennis neues Leben eingehaucht“, erzählt Zimmer. „Die Veränderung in seinem Leben, das gesteigerte Interesse an seiner Person machte Boris an einer ganz simplen Einschätzung fest: Er unterteilte die Journalisten nach seinem Triumph in die Klassen „Vor 1985“ und in „Nach 1985“, so Zimmer weiter.

Einer, der um 17:26 Uhr Londoner Uhrzeit an diesem 07. Juli 1985, wohl schon sehr genau wusste, was alles auf Boris Becker zukommen würde, war Ion Tiriac. Auch er steht jetzt auf und klatscht Beifall, als Boris mit dem Pokal über den Platz stolziert. Der Manager musste kein Prophet sein, er plante schon nach dem verwandelten Matchball die nächsten Siegszüge Beckers. (anhe)

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