Der Augenblick des Triumphes - Foto: imago images / Sven Simon Der Augenblick des Triumphes. Boris Becker Deutschland gewinnt als jüngster Spieler aller Zeiten die All England Championships. Foto: imago images / Sven Simon

Tag:

07. Juli 1985

Ort:

Centre Court in Wimbledon, London

Zuschauer:

13.118

Sportart:

Tennis

Anlass:

Finale der 99. All England Championships

Paarung:

Boris Becker (GER) – Kevin Curren (USA)

Ergebnis:

6:3, 6:7, 7:6, 6:4

Ballfarbe:

Weiß 😉

Als Oberschiedsrichter Alan Mills an diesem Endspieltag in Wimbledon die Tür zum Centre Court öffnet, betreten 2 Spieler den heiligen Rasen des All England Lawn Tennis and Croquet Clubs, die niemand zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort erwartet hätte.

Es ist der 07. Juli 1985. Finale der 99. All England Championships. Gegen 14 Uhr Londoner Uhrzeit trägt Leo Turner, Steward der Umkleiden, traditionsgemäß die Taschen der Finalisten auf den Platz. Ihm folgen Boris Becker, der 17 jährige Junge aus Leimen, der erst der 9. ungesetzte Spieler im Finale ist und Kevin Curren, der in Südafrika geborene US-Amerikaner als Nummer 8 der Setzliste.

 

Wunderkind Boris als Herausforderer

Die berühmte Beckerfaust. - Foto: imagos images / Colorsport

Die berühmte Beckerfaust. – Foto: imagos images / Colorsport

Boris Becker gilt als krasser Außenseiter. Er hat zwar kurz vorher sein erstes Profiturnier im Londoner Queens-Club, ebenfalls auf Rasen, gewinnen können, aber Kevin Curren sicherte sich in seinen Matches bis zum Finale mit Siegen über die großen Topfavoriten John McEnroe und Jimmy Connors die Rolle des Favoriten. Der junge Becker scheint an diesem Tag jedoch völlig unbeeindruckt. Voller Selbstbewusstsein betritt er den Platz, nur scheinbar etwas nervös, bei der Verbeugung vor der königlichen Loge etwas falsch zu machen.

Die Prominenz hat Platz genommen. Der Herzog und die Herzogin von Kent sind umgeben von hochrangigen Persönlichkeiten, unter ihnen auch Juan Antonio Samaranch und Fred Perry. 13.118 Zuschauer warten gespannt. Das Einschlagen beginnt um genau 14:04 Uhr. Sonnenschein und knapp 28 Grad bieten herrliche Bedingungen für einen ganz besonderen Sporttag in der Geschichte.

In Deutschland sitzen bereits über 11 Millionen Menschen vor den TV-Geräten, weltweit sind es mehrere hundert Millionen. Die Briten haben ihren Liebling bereits ausgemacht: Boris Becker. Seine Leidenschaft, seine Unbekümmertheit und vor allem seine Art niemals aufzugeben, kommen auf der Insel gut an.

Boris fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Um 14:09 Uhr beginnt das Match. Die Experten erwarten ein wahres Aufschlag-Feuerwerk. Becker hat eine Quote von 57% erster Aufschläge bis zum Finale, Curren 59%. Der Außenseiter gewinnt souverän sein erstes Aufschlagspiel, lässt dabei jede Nervosität vermissen. Geradezu routiniert bewegt sich „Bum Bum Boris“. Seine Körpersprache bringt all seine Entschlossenheit zum Ausdruck.

Wende im 3. Satz?

Der Amerikaner dagegen hat seinen festen Glauben an den eigenen Sieg in den Katakomben gelassen. Mit einem Doppelfehler ermöglicht er Boris ein direktes Break. 2:0 für den Rotschopf aus dem Badischen. Mit 6:3 gewinnt Boris als erster Ungesetzter überhaupt einen Satz. Sein Gegner ist verunsichert, die Quote seines ersten Aufschlages weit unter seinen Möglichkeiten. Der zweite Satz verläuft ausgeglichen. Becker sorgt mit einer Fußball-Einlage für heiteres Gelächter beim Publikum. Anspannung Fehlanzeige.

Immer wieder tänzelt Boris an der Grundlinie, doch bis zum TieBreak gelingt ihm kein Break mehr. Seine eigenen Aufschlagspiele bringt er sicher durch. Immer wenn es darauf ankommt, ist sein erster Aufschlag im Spiel und sorgt fast immer für den Punktgewinn. Dennoch: Curren biegt einen 4:2 Rückstand in diesem TieBreak um und gewinnt schließlich diesen Satz mit 7:6.

Die Partie ist jetzt an einem Scheidepunkt angekommen. Boris scheint seine Lockerheit und seine Unbefangenheit etwas verloren zu haben. Er fängt an zu hadern, zu meckern und wild zu gestikulieren. Der 27 jährige Texaner Curren bekommt Oberwasser.

Boris, der Kämpfer

Beim Stande von 3:3 verliert Becker zum ersten Mal seinen Aufschlag, Curren geht dadurch nach 2 Std. 04 Min. zum ersten Mal in diesem Finale in Führung. Jeder rechnet mit einer Wende in diesem Match: Der erfahrene Curren zwingt den jungen Wilden in die Knie. Doch da spielt Becker nicht mit.

Ihm gelingt ein direktes Re-Break. Boris fightet, kämpft um jeden Ball und hechtet über den sandigen Boden Wimbledons. Wieder geht es in den TieBreak. Diesen entscheidet Becker mit 7:3 für sich. Endlich ist sie da, die Becker-Faust. Mutter Elvira lächelt auf der Tribüne.

Gleich zu Beginn des vierten Satzes nimmt Becker dem Amerikaner dessen Service ab. Beim Stande von 5:3 Aufschlag Curren hat Boris seinen ersten Matchball. Curren kann abwehren und verkürzt auf 5:4. Jetzt schlägt Boris zum Match und zum Gewinn der Meisterschaft auf. Mit einem Doppelfehler beginnt er sein wohl wichtigstes Aufschlagspiel seiner bis dato so jungen Karriere.

Doch wie auf Knopfdruck ist der starke erste Aufschlag wieder da. Mit dem 22. Ass holt er sich die nächsten Matchbälle. Wieder Doppelfehler. Ein Raunen geht durch das Publikum, die jüngeren Fans schreien schon auf. 40:30. Der Schiedsrichter David Howie mahnt zur Ruhe. Mutter Becker lächelt wieder. Vater Karl Heinz schaut eher ernst auf seinen Sohn.

Triumph, der alles verändern wird

3. Matchball. Boris schlägt noch mal den Dreck von den Sohlen, wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. Er tippt den weißen Ball viermal auf, hält kurz inne und wuchtet seinen ersten Aufschlag mit einer solchen Kraft in das gegenüberliegende Feld, dass Kevin Curren nur noch mit dem Rahmen seines Schlägers an den Ball kommt. Becker macht 2 Schritte, streckt seine Arme gen Himmel, wirft den Kopf in den Nacken und schreit den Jubel des Wimbledonsieges hinaus. Fast synchron springt Vater Karl-Heinz auf und tut es seinem Sprössling gleich.

Nach 3 Std. 18 Min. gewinnt Boris Becker das Wimbledon-Finale mit 6:3, 6:7, 7:6 und 6:4 gegen den Favoriten Kevin Curren. Mit 17 Jahren und 227 Tagen ist Becker der jüngste Wimbledonsieger in der Geschichte, der erste Deutsche und der erste Ungesetzte, der dieses Traditionsturnier an der Church Road in Wimbledon gewinnen kann.

 

Boris mit „seinem“ Pokal – Foto: imago images / Colorsport

Die Superlative des Boris Becker standen an diesem 07. Juli 1985 erst am Anfang. Es war ein Turniersieg, der das Leben des jungen Tennisprofis in den folgenden Jahren seiner Karriere vollkommen verändern sollte. (anhe)

Diese Artikel könnten auch interessieren

Der Augenblick des Triumphes - Foto: imago images / Sven Simon

1985 – Wimbledon verändert alles
Um 17:26 Uhr Londoner Uhrzeit an diesem 07. Juli 1985 änderte sich alles. Ein Turniersieg stellt das ganze Leben auf den Kopf. Mit 17 Jahren erwachsen. Unbegreiflich, was ihm da gerade „passiert“ ist. Jahre später sagt Boris über diesen Sieg: „Boris aus Leimen ist in Wimbledon 1985 gestorben und in neuer Gestalt wieder auferstanden.“ Zum Artikel

1985 – Das erste Interview des Champions
Minuten nach seinem Triumph steht Boris NBC Rede und Antwort. Zum Artikel

1985 – Der Weg ins Finale
7 Matches bis zur Unsterblichkeit. 29 Sätze, die aus Boris einen Helden machten. Zum Artikel