Immer mit einem Lächeln, Joachim „Jo“ Deckarm. – Foto: Nicole Rosche
Zahlen und Fakten
Name: | Joachim Deckarm |
Nation: | Deutschland |
Geburtsort: | Saarbrücken (D) |
Geburtstag: | 19.01.1954 |
Sportart: | Handball |
Spitzname: | Jo |
Größe: | 1,94 m |
Gewicht: | ca. 90 kg zu seiner aktiven Zeit |
Merkmal: | Teamplayer |
Internet: | www.sporthilfe.de/deckarm-fonds |
Seine offene und fröhliche Art nahm es mir fast wortlos, dieser Frage weiter nachzugehen. Und um die schönste Erkenntnis dieses Interviewtermins in Saarbrücken vorwegzunehmen: Man muss NICHT. Im Gegenteil. Man kann auch eine solch schwierige Situation mit viel Motivation, guter Laune und einem unbändigen Optimismus meistern.
Die öffentlichen Auftritte von Joachim Deckarm sind in den vergangenen Jahren sicher etwas weniger geworden. Auch dem einstigen Modellathleten merkt man das Alter an. Am 19. Januar feierte er Geburtstag, seinen 57.ten. Das tägliche Training, dass er nach seinem tragischen Unfall am 30. März 1979 und folgenden 131 Tagen im Koma, absolvieren muss, ist hart. Der große Trainingsplan hängt überdimensional über dem Esstisch an der Wand, die breite Reha-Liege für Physiotherapie und Krafttraining steht unter dem Fenster. Mehr Trainingsraum, als Wohnung in seinem Appartement mitten in Saarbrücken im Haus für betreutes Wohnen.
„Kein Kampf – das ist mein Leben!“
„Ich kann, ich will, ich muss!“ wurde sein Motto. „Den Spruch habe ich von einer Krankenschwester, die im Krieg den verwundeten Soldaten Mut machen wollte. Und danach lebe ich ganz einwandfrei.“ Daniel Stephan, ehemaliger Welthandballer und einer der besten Handballer Deutschlands spricht aus, was viele denken: „Hut ab vor seiner Leistung. So wie Jo sich gibt, da habe ich große Achtung vor.“
Interview in Saarbrücken: Ich besuchte Handballidol Joachim Deckarm. – Foto: Nicole Rosche
„Jo ist ein altes Schlitzohr!“
Wie es ihm ginge, wollte ich wissen und schob hinterher, dass er einen guten Eindruck macht. „Mir geht es sehr gut. Das haben sie schon ganz gut beobachtet“, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten. Das Training laufe „zufrieden stellend, ist aber auch ganz schön anstrengend.“ Die Zeiten im Rollstuhl werden länger, die Trainingserfolge passieren in kleineren Schritten. Da kommt die Frage nach der Motivation nur allzu verständlich. „Das ich mal keine Lust habe? Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern. Keine Motivation gibt es nicht“, grinst Deckarm und lässt erahnen, dass es auch bei ihm Tage gibt, die schwer fallen. „Handballtraining war härter, oder Joachim?“, wirft Zöll ein.
Gute Laune ist sein Markenzeichen: Joachim Deckarm – Foto: Nicole Rosche
Er überlegt lange, nascht einen Keks und kommt zu einem trivialen Schluss: „Im Grunde bin ich eine Frohnatur. Ich will mich gar nicht ärgern.“ Für Nicole Rosche kommt diese Antwort wie selbstverständlich: „Es ist nicht übertrieben. Wenn es ihnen schlecht geht, warum auch immer, dann kommen sie zu Joachim. Sein Optimismus und seine Fröhlichkeit stecken an.“ Ich kann es mir jetzt vorstellen, gut sogar.
Enormer Auftrieb durch das Buch
Dass seine Betreuung dabei trotzdem harte Arbeit, teils schwierig und aufreibend ist, würde sicher keiner bestreiten, doch in einem sind sich alle Beteiligten im „Team Deckarm“ einig: „Er macht es uns wirklich sehr leicht und wir haben viel Spaß bei der Arbeit mit ihm“, beschreibt Rosche und ihr „Schützling“ konnte sich ein Lachen und lautes „Ja, das stimmt!“ nicht verkneifen.
Es ist die Atmosphäre, die für Deckarm wichtig ist. „Einer für alle, alle für einen“ könnte ein weiteres Motto sein.
„Das Buch und die Reaktionen darauf haben ihm enormen Auftrieb gegeben“, weiß Rosche zu berichten. Dabei dürfte die beeindruckende Biografie des einst gefeierten Handballstars nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen Menschen, die Schicksalsschläge verkraften mussten, Mut machen. „Seine Akzeptanz in der Gesellschaft hat eigentlich weniger mit dem Handball zu tun. Seine Lebensleistung an sich ist viel höher einzuschätzen. Egal wie es ihm geht, er spielt sich nie in den Vordergrund“, erklärt Zöll den Sympathieträger Deckarm. Wenn alles gut läuft, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass das Buch verfilmt wird. Gespräche darüber sind im Gange. Welcher Schauspieler ihn denn spielen soll, ist Deckarm eigentlich egal: „Darüber hab ich aber auch noch nicht so richtig nachgedacht.“
Sein Arm machte Deutschland zum Weltmeister
Beim Thema „Handball“ funkeln seine Augen immer noch. Trau ich mich nach seinem persönlichen Highlight zu fragen? Ja, seine Erinnerung scheint wunderbar zu funktionieren. „Die Qualifikation für Olympia 1976 gegen die DDR war schon etwas Großes.“ In einer etwas längeren Gesprächspause scheint er sich ganz genau zu erinnern. Er rollt mit den Augen und seine Gesichtszüge zeugen von schier unendlicher Zufriedenheit. Als ich ihm noch mal erzählte, das er DER Mann des Spiels war, merkte ich, dass ihn das mit Stolz erfüllte.
Eine andere Tatsache war ihm gar nicht bewusst. Rückblick auf entscheidende Sekunden im WM-Finale: Der Russe Gassij trifft nur den Arm von Jo Deckarm, der Ball prallt ab, geht weit ins Seitenaus. Dann der erlösende Abpfiff – Deutschland ist Weltmeister. 1978 war das, ein Jahr vor seinem tragischen Unfall. „Wirklich? Das war mein Arm? Dann macht mich das natürlich schon stolz, auch wenn wir ja als Mannschaft gemeinsam gewonnen haben“, nimmt er fast peinlich berührt das Lob entgegen.
Auf einer Linie
Zum Abschluss will ich wissen, ob es ihn nicht reizen würde, in der heutigen Zeit Handballprofi zu sein. Es dauert eine Weile, bis er die für ihn typische Antwort parat hat: „Es war Früher eine tolle Zeit. Mit dem Geld von Heute wäre es sicher noch schöner gewesen.“
Bei der Verabschiedung überreichte er seine Autogrammkarte und signierte mir sein Buch. Das Schönste hat er an diesem Tag sicher ganz unbemerkt geschenkt: Als Sportredakteur noch mal einen Tag zum Fan werden. Fan eines ehemaligen Handballhelden mit zwei ganz beeindruckenden Leben. Unbezahlbar.
TEAMGEIST – eine beeindruckende und bewegende Biografie des einstigen Handballidols.
Zahlen und Fakten seiner Karriere und seines zweiten Lebens
1960 | Eintritt in den TV Malstatt (Turnen, Leichtathletik, Handball) |
1970 | Wechsel zum 1. FC Saarbrücken; in der Leichtathletik Deutscher Jugendmeister im Fünfkampf mit Wolfgang Klein und Michael Volz |
1972 | Abitur am Wirtschaftsgymnasium Saarbrücken |
1973 | Wechsel zum VfL Gummersbach. Am 2. Dezember erstes Länderspiel gegen Rumänien |
1974 | Europapokalsieger der Pokalsieger |
1973 bis 1976 | ununterbrochen Deutscher Meister |
1975 | Auszeichnung mit dem Silbernen Lorbeerblatt |
1976 | 4. Platz bei den Olympischen Spielen in Montreal |
1977 und 1978 | Deutscher Pokalsieger |
1978 | Europapokalsieger der Pokalsieger, Mannschaft des Jahres |
1978 | Weltmeister gegen die Sowjetunion in Dänemark |
1979 | Am 30. März endet nach einem Unfall bei einem Europapokalspiel in Tatabanya/Ungarn seine Handballkarriere nach 104 Länderspielen und 381 Toren nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma und 131 Tage im Koma |
1979 | Deckarm erwacht aus dem Koma |
1992 | 18. Dezember Einweihung der Joachim-Deckarm-Halle mit einem Spiel der Weltauswahl gegen die Deutsche Nationalmannschaft |
Überreichung der Goldenen Ehrennadel des Deutschen Handball Bundes durch den Präsidenten Jürgen Hinrichs an Werner Hürter und Reinhard Peters für das Engagement bei der Betreuung von Joachim Deckarm | |
1999 | Wahl zum Handballer des Jahrhunderts durch den Kicker |
2002 | Am 1. Juli Umzug ins betreuende Wohnen im Haus der Parität in der Försterstraße in Saarbrücken |
2007 | Eröffnungsspiel der Handball-WM 2007 in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Joachim „Jo“ Deckarm feierte zusammen mit 10.000 Zuschauern seinen 53. Geburtstag. Das lautstarke Ständchen für den ehemaligen Weltklasse-Handballer, der seit seinem schweren Sportunfall 1979 pflegebedürftig ist, gehörte zweifelsohne zum ersten richtigen Gänsehautmoment dieser WM, die mit dem Titel für Deutschland endete |
Deckarm-Zertifikat Deutsche Sporthilfe
Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat nach dem Unfall von Joachim Deckarm im Jahr 1980 einen Deckarm-Fonds eingerichtet, der sich aus Spenden finanziert und die Kosten für Rehabilitation und Pflege trägt. Deckarm ist bis heute auf fremde Hilfe angewiesen und lebt in einem betreuten Wohnheim der Parität in Saarbrücken. Das Fonds-Kapital nährt sich durch Benefiz-Spiele oder Spenden.
Hilfskonto Joachim Deckarm
Stiftung Deutsche Sporthilfe
„Hilfsfond Joachim Deckarm“
Commerzbank Frankfurt
IBAN: DE40 5008 0000 0093 2103 00
BIC-Code: DRESDEFFXXX
Internet: sporthilfe.de/deckarm-fonds